Hier präsentiere ich eine Zusammenfassung meines Schreibkurses in der Form, wie ich ihn im Wintersemester 2024/25 unterrichtet habe. Jeder Punkt hier steht für ein Modul mit Beispieltexten, erläutenden Notizen und Übungen, und ich habe auch alle Module auf Video eingesprochen. Die bestehenden Beispieltexte sind fast alle aus dem Bereich Softwareentwicklung; meine Absicht wäre, Versionen zu entwickeln, die dieselben sprachlichen Themen für andere Fächer demonstrieren, zB Medizin oder Technik.

Der Kurs kann auch als Versuch, Inhalte aus diesen Büchern in eine für MINT-Fachleute zugängliche Form aufzubereiten, betrachtet werden.

(Ein paar Kapitel fehlen hier noch. Eine Übung im Beschreiben von etwas Physischem ist meistens wertvoll – in der Softwareentwicklung z.B. machen wir eine genaue Layout-Beschreibung einer UI – und es gibt auch eine langsam wachsende Sammlung von ad-hoc-Korrekturen, die typische kleine Sprachfehler deutschsprachiger Autor:innen behandeln.)

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Einleitung: Technisches Schreiben als Medium
Wir haben besprochen, welche Kommunikationskanäle für euch in der Softwareentwicklung am besten funktionieren. Alle waren wir uns einig, dass jener Kanal, bei dem man eine Antwort bekommt, der beste ist; welcher das ist – E-Mail, Slack oder etwas anderes – scheint in jeder Organisation anders zu sein. Dann haben wir über Kommunikation im persönlichen Gespräch, von Angesicht zu Angesicht, gesprochen, und wie dafür gleichzeitiges Feedback bezeichnend ist. Du kannst dabei sehen, ob dein Gegenüber das, was du sagst, versteht, ob er oder sie dem zustimmt oder nicht, usw., und du kannst im selben Moment darauf reagieren. Wo immer möglich, sollst du Kommunikationsmittel wählen, bei denen du möglichst im aktiven Dialog mit den anderen Menschen bist.
 
Aber das ist nicht immer möglich. Es gibt Situationen, in denen wir schriftlich kommunizieren und nicht dabei sein werden, wenn jemand unseren Text erhält. Wir müssen hoffen, dass die Leser:innen unseren Text tatsächlich lesen und verstehen und daraufhin das tun, was wir wollten. Wenn wir so einen Text schreiben, müssen wir sehr gründlich über unsere Leser:innen nachdenken – und darüber, wie wir einen Text herstellen können, den sie als relevant, nützlich und leichtverständlich erleben.
 
Das Gute am Schreiben ist aber, dass wir einen Text immer wieder überarbeiten und ihn so weit verbessern können, dass er in seiner Gesemtstruktur so wie in seinen Details unseren Idealvorstellungen nahe kommt, so dass er unser Leser:innen wirksam ansprechen kann.
 
Part I – Syntax

  1. Deutsch mag Hauptwörter, Englisch bevorzugt Verben.
    Wir haben einen sehr formalen deutschen Satz betrachtet und haben entdeckt, dass er eigentlich als System von durch Fallmarkierungen (Endungen und Präpositionen) miteinander verbundenen Hautwörtern konstruiert ist. Die Verben sind zudem inhaltlich sehr einfach. Beim Übersetzen dieses Satzes ins Englische war ein halbwegs brauchbares Ergebnis nur durch das Verschieben vom Inhalt aus den Hauptwörtern heraus zu den Verben hin.
     
    Dann haben wir gesehen, dass ein Text für einen ähnlichen Zweck im Englischen ganz auf Verbphrasen aufgebaut ist, und dass die Verben mehr vom Inhalt tragen. Das reflektiert zum Teil einen kulturellen Unterschied aber resultiert zum Teil auch aus der anderen Grammatik des Englischen, die uns nicht erlaubt, Wörter so klar nach ihrem Fall zu markieren.
  2. Englisch bleibt strenger bei einer SVO-Wortstellung.
    Wegen der fehlenden Fallmarkierungen muss die Syntax des Englischen viel stärker auf die Wortstellung setzen, und wir weichen nur in Ausnamefällen von der SVO-Reihenfolge ab.
  3. Englische Sätze haben im Optimalfall einen kompakten SVO-Hauptsatz.
    Im Englischen, weil wir nur an der Wortstellung Subjekt, Verb und Objekt erkennen können, ist es meistens am besten, wenn wir den Hauptsatz kurz und schlicht halten, und alle andere Informationen vor oder nach ihm ansiedeln. Hier besteht ein Kontrast mit dem Deutschen, bei dem bestimmte Informationen sogar obligat innerhalb des Hauptsatzes stehen müssen.
  4. Modifiers 1: Wie viel Gerümpel können wir einem Hauptwort voranstellen?
    Im Deutschen sind der Komplexität von auf Partizipien aufbauenden adjektivischen Konstruktionen vor einem Hauptwort keine klaren Grenzen gesetzt. Englisch akzeptiert solche Konstruktionen nicht, so dass beim Übersetzen deren Inhalte in Relativsätze oder überhaupt in eigenen Sätze versetzet werden müssen. Im Englischen verwenden wir ganz flexibel Wörter, die an sich keien Adjektiva sind, in Adjektiv-ähnlicher Funktion; deswegen führe ich hier „Modifier“ als Oberbegriff ein.
  5. Modifiers 2: Bindestrichsetzung
    Wir verwenden im Englischen Bindestriche, um die Wörter eine mehrteiligen „Modifiers“ vor einem Hauptwort miteinander zu verbinden, lassen dann aber zwischen dem Modifier und dem Hauptwort ein Leerzeichen. Da wir recht oft andere Hauptwörter im Modifier verwenden, hilft das, das eigentliche Hauptwort zu erkennen. Wenn wir dieselbe Phrase in anderen Situationen verwenden, in denen dieses Missverständnis nicht enstehen kann, dann schreiben wir sie ohne Bindstriche. Diese Verwendung von Bindestrichen ist anders als im Deutschen.
  6. English toleriert Subjekte, die keine Handelnde sind
    Im Deutschen werden bestimmte Hauptwörter, die keine reale Handlung ausführen können, ungern als Subjekt eingesetzt; eine Reihe konventioneller Ausdrücke werden eingesetzt, um diese von der Subjektposition in den Satz hinein zu verlegen. Manchmal liegt die Lösung zu einem Englischen Satz darin, dass wir ein WOrt in der Mitte ausmachen, das eigentlich als Subjekt vorne stehen könnte. Wer hauptsächlich gewohnt ist, im Deutschen zu schreiben, kann solche Gelegenheiten leicht übersehen.

Part II – Stories und Informationen

  1. Was macht eine Story aus?
    Stories sind uns allen wichtig. Stories haben einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Enden koppeln zurück zu ihren Afängen. Anfang und Ende eines längeren Textes sind die ersten und letzten Absätzen. Aber jeder Absatz ist auch eine kleine Story in sich, auch wieder mit einem Ende, das auf den Anfang antwortet. Also ist eine lange Erzählung (ganzer Text) eine reihe von kleinen Erzählungen (Absätzen).
  2. Leser:innenorientierung
    Wie sollen unsere Leser:innen auf den Text reagieren, bzw was soll er bei ihnen bewirken?
    Wie ist ihr Wissensniveau?
    Was sind ihre Interessen?
    Können wir uns für ihre Interaktion mit unserem Text eine “user story” vorstellen?
    Können wir (technische) Vorteile in Nutzen übersetzen?
    Denken wir eine Beziehung weiter und verstehen die „Kunden unserer Kunden”?
  3. Anfänge: Erste Absätze und erste Sätze
    Der erste Satz muss ansagen, was kommt. Er muss ein Problem aufstellen, das es zu lösen gilt, oder uns die Story im kleinen andeuten. Ist der ganze Text länger, kann der derste Absatz als Teaser für die ganze Erzählung dienen. Was ist im Teaser „zu wenig“ und „zu viel“ Information? Das zu wissen, ist eine Kunst. Aber die meisten von euch kommen meistens nicht schnell genug und nicht direkt genug zur Sache. Ihr wißt, was ihr zu tun habt!
  4. Logische Reihnfolge der Ideen in einem Absatz
    Wenn die Materie eine natürliche Sequenz hergibt, zB chronologisch oder eine Abfolge von User-Interaktionen, bitte annehmen und sauber abbilden. Wir haben „echte“ Textfassungen mit welchen, in denen die Ideen vertauscht waren, verglichen, und gesehen, dass das etwas ausmacht.
  5. Informationen in Sätzen
    Wir können Sätze in Teile dividieren und dies Teile vertauschen und in der neuen Reihenfolge auch wieder grammatisch korrekte Sätze machen. Wir habe eine Serie von unterschiedlichen Versionen eine Satzes untersucht. Dabei haben wir gesehen, dass die unterschiedlichen Versionen vielleicht für Leser:innen mit unterschiedlichem Vorwissen angemessen sein könnten, bzw. dass sie den Fokus auf verscheidene Elemente im Satz legen.
    Dann haben wir uns eine Auswahl von Sätzen mit „framing“-Phrasen am Anfang angesehen. Diese definieren einen zeitliche oder einen örtlichen Rahmen, oder stellen eine Verbindung zu einem anderen Teil des Textes her. Es ist relativ leicht zu sehen, warum diese Konstrukte am Satzanfang stehen.
    Dann sind wir zu einigen Beispielen gekommen, bei denen der Anfang nicht so deutlich vom Rest des Satzes abmarkiert ist, wir aber noch immer ein Muster sehen können: der Satzanfang zeigt uns, wovon der Satz handeln wird („topic“ – auf Deutsch „Thema“) und was folgt, sagt uns darüber etwas neues oder spezifisches („comment“, auf Deutsch „Rhema“).
    Wenn wir noch näher hinschauen, sehen wir, dass die Informationen oft schrittweise immer spezifischer werden, bis zum Ende des Satzes; oft is sogar das letzte Wort die Krönung der Aussage. Dieses Muster wird „end focus“ benannt.
    Wenn diese Reihenfolge der Informationen innerhalb aller Sätze gestört war, hat das einen schwer lesbaren Absatz ergeben.
  6. Figuren auf der Bühne
    Wir markierten die grammatikalischen Subjekte in einer Textpassage und überlegten uns, ob sie wie die Figuren in einem Schauspiel funktionieren. In einem längeren Text konnten wir sehen, dass in jedem Absatz unterschiedliche „Figuren“ vertreten waren, wie wecheslnde Besetzungen von einer Szene zur nächsten eines Dramas.
    Wieder einmal, wenn wir die Sätze umbauten, um andere Worte als Subjekte zu positionieren, wurde daraus ein schwerer lesbarer Absatz mit einem weniger klaren Fokus.
  7. Verknüpfungen
    Wir suchten in Textpassagen Wörter und Ausdrücke, die auf Elemente im vorangegangenen Text rückverweisen und kontrastierten einmal mehr ‘normale’ Texte mit Versionen, in denen diese Elemente entfernt worden waren. Zu diesen „linking expressions“ zählen jedenfalls Wörter wie „this“ or “„that“, „this x“ or „that x“, „it“, usw., wenn diese eine Bezug zu etwas im vorigen Satz hatten, oder auch Wiederholungen ode fast-Wiederholungen von schon verwendeten Begriffen.
  8. Sind Wiederholungen schlimm?
    Ihr habt wahrscheinlich in der Schule gelernt, dass „Wortwiederholungen“ zu vermeiden seien. Aber eigentlich können Wiederholungen nützlich sein. Wie wir gerade gesehen haben, können sie Verknüpfungen herstellen, die den Text kohärenter machen. Im technischen Schreiben ist es aber auch generell gut, immer denselben Begriff für dieselbe Sache zu verwenden.
    Manchmal werdet ihr in euren Texten Ideen wiederholen, weil ihr an verschiedenen Stellen Versuche starten, die richtigen Worte für irgendein Konzept zu finden. Wenn das beim Überarbeiten auffällt, ist es die Aufgabe, diese Passagen zu einer einzigen Version zusammenzuführen und dann eine klare Entscheidung darüber zu treffen, wo dieser teil der Erzählung hingehört. „Say it once, say it right!“

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