Einmal wieder der alte Hut:

„ … please have the manuscript proof-read by a native English-speaking expert in the field.“

Ich mag das gar nicht. Aus Gründen:

  1. Englisch ist meine Erstsprache (sprachwissenschaftliches Kürzel: L1). Mir behagt es nicht, als „Native“ irgendeiner Kultur oder eines Landes bezeichnet zu werden; für mich riecht das nach einem nationalistischen Verständnis menschlicher Identität, das ich ablehne.
  2. „Native speaker“ ist keine ausreichende Qualification, um ein naturwissenschaftliches Manuskript gut lektorieren zu können. Dass Englisch meine L1 ist, hat es für mich sicher leichter gemacht, auf professionellem Niveau schreiben zu lernen, aber es hat mir nicht all die Mühe erspart, die ich ins Lernen und Üben investiert habe, um so gut darin zu werden, wie ich jetzt bin. Zu der Zeit – vor 24 Jahren – , als ich meine Forschungskarriere beendete, hatte ich schon Englisch als Erstsprache und etwas Übung als wissenschaftlicher Autor hinter mir und war schon unter Kolleg:innen wegen Hilfe mit Manuskripten einigermaßen gefragt: Aber wenn ich meine damaligen Paper jetzt lese, sehe ich genug, das ich heute ausbessern würde.
  3. „Native speaker“ ist keine notwendige Qualifikation für professionelle Text- und Lektoratsarbeit. Meine österreichische Frau schreibt englische Texte, in denen ich nur noch selten etwas verbessern würde, und dann nur Kleinigkeiten. Schon mal vom Schriftsteller Joseph Conrad gehört? In seiner wievielten Sprache ist er berühmt geworden? In seiner FÜNFTEN; möglicherweise seiner sechsten (die anderen wären Polnisch, Französisch, Ukrainisch, Russisch und Deutsch).
  4. Mit unschöner Regelmäßigkeit wird diese „Native Speaker“-Anmerkung schlicht deswegen angefügt, weil ein Gutachter den Eindruck hat, die Autor:innen seien nicht englischsprachig. Ich habe sie einmal bei einem eigenen Paper kassiert – was meinen Chef herzlich amüsierte. Da mein Name wohl nicht eindeutig englisch aussieht, hat wohl jemand gedacht, dass wir alle Österreicher seien. Lustigerweise war aber der Uropa, der den Namen nach Irland brachte, aus … England.
  5. „A native English speaking expert in the field“ klingt so, als erwarte der Gutachter, dass es bei den Autor:innen irgendwo eine:n englischsprachige:n Kolleg:in gibt, die oder der sich dienlich macht. Jaja, ich kenne das – ich war der Kollege. Wochen und Monate habe ich beim Schreiben zugebracht – Zeit, in der ich eigentlich dafür bezahlt wurde, im Labor zu stehen. Professionelles Lektorat ist kein Hobby. Es ist ein Job, der es wert ist, richtig gemacht zu werden und der ordentlich bezahlt werden sollte. Was, um klar zu sein, der in diesem Fall betroffene Autor tut.
  6. Was sollst du also sagen, lieber Reviewer #2? Wie wär’s mit „Would it be possible to have the manuscript professionally edited for coherence and language?“ Aber bevor du die Frage überhaupt stellst: sei doch ein Schatz und überlege kurz, ob du nur nörgeln willst, oder ob wirklich konkrete Verbesserungen angesagt sind, um das Paper verständlich zu machen.

Wenn Forscher im allgemeinen besser befähigt wären, ihre Wahrnehmungen von Textqualität etwas genauer zu artikulieren, könnten wir mit all dem ein Stück weiter sein.

Ich bin nicht der einzige, den sowas nervt. Siehe auch …

Small Pond Science

Adriana L. Romero-Olivares